Corona in Nordkorea
Lange verzeichnete Nordkorea nach eigenen Angaben keine Corona-Fälle. Vor einigen Tagen begann das Land, Hunderttausende Fiebererkrankungen zu melden. Fachleute vermuten, dass es sich dabei überwiegend um Corona-Infektionen handele.
Bestätigung der Corona-Infektionen
Am 12. Mai verkündete Nordkorea über die staatliche Nachrichtenagentur KCNA den ersten Corona-Ausbruch – einen “schweren nationalen Notfall” – und einen landesweiten Lockdown.
Laut KCNA wurden Personen mit Fieber in der Hauptstadt Pjöngjang getestet und die Omikron-Variante des Coronavirus festgestellt. Um wie viele Personen es sich handelte, wurde nicht genannt.
Auf einer Parteisitzung betonten Mitarbeitende der Seuchenkontrolle, dass die Mehrzahl der Verstorbenen offenbar durch eine Überdosierung von Medikamenten starb. Dies sei “aufgrund mangelnder Kenntnisse über Behandlungsmethoden” geschehen, berichtete die Tagesschau.
Cheong Seong-chang ist Nordkorea-Experte am südkoreanischen Sejong-Insitut. Er verwies auf die fehlenden Testkapazitäten in Nordkorea und dass es nicht übertrieben wäre, “all diese Fälle von ‘Fieber’ als Covid-19-Erkrankungen zu betrachten”. Aufgrund vieler asymptomatischer Fälle könnte das Infektionsgeschehen tatsächlich noch höher sein.
Am 14. Mai berichtete die Tagesschau von weiteren 21 Todesfällen und mehr als 170.000 Infektionen mit Fieber-Symptomen. Die Kapazitäten für Massentestungen seien nicht ausreichend.
Wie das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) berichtet, habe Nordkorea am 18. Mai 2022 232.880 neue Fälle einer Fiebererkrankung sowie sechs weitere Todesfälle gemeldet. Die Ausbreitung des Fiebers begann Ende April dieses Jahres. Mittlerweile seien 62 Menschen daran verstorben und 1,7 Millionen erkrankt. Auch wären über eine Million Menschen genesen. In Quarantäne befänden sich mindestens 691.170 Menschen.
“Maximales Quarantäneprotokoll” angeordnet
Machthaber Kim Jong Un soll laut KCNA ein “maximales Quarantäneprotokoll” angeordnet haben, um die “Wurzel innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen”. “Aufgrund des hohen politischen Bewusstseins des Volkes”, würde Nordkorea laut Kim Jong Un, “die Notlage sicher überwinden und das Notstandsquarantäneprojekt gewinnen”. Zudem forderte er strengere Grenzkontrollen sowie Abriegelungsmaßnahmen.
In einer Dringlichkeitssitzung bezeichnete er den Ausbruch des Coronavirus in Nordkorea als “große Katastrophe” und “historischen Umbruch”. Der KCNA erklärte Kim Jong Un: „Wenn wir bei der Umsetzung der Seuchenpolitik nicht den Fokus verlieren und auf der Grundlage der Einigkeit von Partei und Volk eine starke Organisationskraft und Kontrolle aufrechterhalten, können wir die Krise überwinden“.
Lockdown und Folgen für die Wirtschaft
Als das Coronavirus Anfang 2020 ausbrach, wurden Nordkoreaner:innen mit Krankheitssymptomen in Quarantäne geschickt. Auch der Grenzverkehr und der grenzüberschreitende Handel wurde überwiegend eingestellt.
Im KCNA forderte Kim Jong Un kürzlich einen harten Lockdown für Städte und Bezirke. Außerdem sollen Arbeitsplätze getrennt werden, um die Virusausbreitung zu verhindern.
Nach einer Anordnung Kim Jong Uns sollen geplante Bauprojekte, landwirtschaftliche Entwicklungen und staatliche Projekte weiter laufen.
Das nordkoreanische Gesundheitssystem
Fachleute gehen davon aus, dass ein Großteil der 26 Millionen Nordkoreaner:innen keine Corona-Impfung erhielten. Auch sei das Gesundheitssystem nur schwach entwickelt und große Teile der Bevölkerung seien nach Angaben von UN-Organisationen unterernährt. Eine Ausbreitung des Coronavirus hätte für das Land weitreichende Konsequenzen.
Die Initiative COVAX (COVID-19 Vaccines Global Access) möchte, dass der Zugang zu Corona-Impfstoffen überall auf der Welt gleichmäßig und gerecht gewährleistet wird. Deshalb bot das UN-Beschaffungsprogramm Vakzine für Nordkorea an. Diese wurden jedoch bisher nicht angenommen – internationale Kontrollen wären die Folge.
Laut Fachleuten bestehe nun aber die Möglichkeit, dass durch die Veröffentlichung von Infektionsfällen Hilfe aus dem Ausland angestrebt werde. So erklärte Leif-Eric Easley, Professor für internationale Studien an der Ewha Womans University in Seoul: “Wenn Pjöngjang öffentlich Omikron-Fälle zugibt, muss die Lage bei der öffentlichen Gesundheit ernst sein”. Kim Jong Un wolle Chinas Null-Covid-Politik zum Vorbild nehmen.
Da es der nordkoreanischen Bevölkerung an medizinischen Ressourcen mangele, bot der Machthaber an, Medikamente aus seinen privaten Vorräten für besonders stark Betroffene zu spenden. Das südkoreanische Vereinigungsministerium bot bereits medizinische Unterstützung und andere humanitäre Hilfe an.
Kim Jong Un kritisierte Funktionäre und Behörden
In einer Dringlichkeitssitzung erteilte Kim Jong Un den Befehl an das Militär, bei der Verteilung von Medikamenten in Pjöngjang zu helfen. Apotheken sollen in Schichtsystemen zu jeder Zeit geöffnet sein. Er kritisierte die Funktionäre scharf dafür, dass Apotheken nicht rechtzeitig mit Medikamenten beliefert werden würden
Dies habe die “Unreife der staatlichen Fähigkeiten” im Krisenumgang präsentiert, zitierte ihn die KCNA. Ihre “unpositive Einstellung, Nachlässigkeit und Unaktivität” hätte zu den Problemen geführt und wäre “stümperhaft”.
Weltgesundheitsorganisation ist besorgt
Tedros Adhanom Ghebreyesus, Chef der Weltgesundheitsorganisation, erklärte, dass die WHO “zutiefst besorgt über das Risiko einer weiteren Ausbreitung von Covid-19 in dem Land” sei. Zum einen sei die Bevölkerung nicht geimpft, zum anderen gebe es viele Grunderkrankungen. Das erhöhe das Risiko für schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle.