Omikron – Was über die Virusvariante bekannt ist
Vor kurzem wurde eine neue Virusmutation des Coronavirus entdeckt. Seitdem bereitet die Omikron-Variante der WHO und anderen Experten Sorgen. Doch warum? Was ist bisher über die neue Virusvariante bekannt?
Wo und wie wurde die Variante entdeckt?
Am 24. November 2021 berichtete das südafrikanische Gesundheitsministerium auf einer Pressekonferenz über die Entdeckung einer neuen Virusvariante von SARS-CoV-2 in Botswana. Die Variante wurde zunächst B.1.1.529 genannt. Durch die Klassifizierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 26. November 2021 in eine “besorgniserregende Virusvariante” (VOC), wurde die Variante zu Omikron benannt. Dabei handelt es sich, wie bei den besorgniserregenden Vorgänger-Varianten, um eine Benennung nach einem Buchstaben des griechischen Alphabets, um Stigmatisierungen zu vermeiden.
Doch warum ist die Variante besorgniserregend? Sie steht laut Pressemitteilung des Robert-Koch-Instituts (RKI) “im Kontext eines ungewöhnlich starken Anstiegs der COVID-19 Fälle in der südafrikanischen Provinz Gauteng, zu der auch die Großstadt Johannisburg gehört.” Mittlerweile werden immer mehr Fälle weltweit bekann. Florian Krammer, Virologe der Icahn School of Medicine in New York, vermutet, dass die Virusvariante schon länger aktiv ist.
Weiß man, wie die Variante entstanden ist?
Eine weitere Mutation des Coronavirus war absehbar, wie es schon unter anderem die Delta-Variante bewiesen hat. Doch Experten, unter anderem auch der Virologe Christian Drosten, seien überrascht von der Anzahl der Mutationen im Virus. Omikron habe zwar Gemeinsamkeiten mit der Alpha- oder Delta-Variante, doch “[d]as Virus scheint keine Tochter von Delta oder kein Enkel von Beta zu sein, sondern eine neue Linie von Sars-CoV-2 zu repräsentieren”, so südafrikanische Forscher:innen in ihrem Beitrag in “The Wire Science”.
Trevor Bedford von der University of Washington und andere Wissenschaftler:innen halten es für wahrscheinlich, dass sich Omikron bei einem Menschen entwickelt hat, der eine Immunschwäche und eine chronische Infektion gehabt habe. Habe jemand zum Beispiel eine HIV-Infektion und infolgedessen ein geschwächtes Immunsystem, könne das Coronavirus bei dieser Person so mutieren, dass es dem Immunsystem sehr gut entkommen könne und sich bei anderen Personen leicht verbreiten könne. Dass in Südafrika viele HIV-Infizierte mit fortgeschrittener Krankheit und ohne Therapiemöglichkeit leben, spreche für diese Theorie zur Virusmutation. Auch der Virologe Carsten Watzl, der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI) ist, hält diese Theorie für wahrscheinlich.
Was ist an Omikron besonders?
Omikron gibt Grund zur Sorge, da es über 30 Aminosäureänderungen im Spike-Protein auf der Oberfläche des Virus aufweist. Von einigen der Mutationen ist bekannt, dass sie Einfluss auf die Transmission, Immunevasion und Übertragbarkeit haben, bei manchen sei die Bedeutung allerdings noch unklar, so das RKI. Aktuell finden Untersuchungen zu den Eigenschaften des Virus statt. “Daten hinsichtlich der Virulenz, der Wirksamkeit von Impfstoffen und therapeutischen Antikörpern sowie zur Übertragbarkeit, die diagnostische, experimentelle und klinisch-epidemiologische Untersuchungen erfordern, liegen jedoch noch nicht vor.”, informiert das RKI.
Auch bei der Delta-Variante stellte man Mutationen am Spike-Protein fest, die Delta ansteckender machten und die Variante weltweit dominieren ließen. Zu bemerken war außerdem ein weniger wirksamer Impfschutz bei der Delta-Variante im Vergleich zu anderen vorherrschenden Varianten. Durch die Impfung soll das Immunsystem das Spike-Protein erkennen und Antikörper bilden. Wie die Impfung bei derart vielen Mutationen der Omikron-Variante wirkt ist derzeit noch unklar.
Was weiß man bisher über Übertragbarkeit und die Schwere des Krankheitsverlaufs?
Bisher ist laut WHO noch nicht bekannt, ob Omikron leichter übertragbar ist als andere Virusvarianten. Zwar sei die Zahl der positiv Getesteten in den betroffenen Gebieten gestiegen, doch welche Faktoren dafür eine Rolle spielen wisse man aktuell noch nicht.
Auch zur Schwere der Krankheit gibt es noch keine fundierte Datengrundlage. Obwohl die Krankenhausaufenthalte in Südafrika zunehmen, muss dies nicht in Omikron liegen, sondern kann auch auf die steigende Gesamtzahl der Infizierten zurückzuführen sein.
Die WHO fordert deshalb zur Vorsicht auf: “Alle COVID-19-Varianten, einschließlich der weltweit vorherrschenden Delta-Variante, können zu schweren Erkrankungen oder zum Tod führen, insbesondere bei den am stärksten gefährdeten Personen, so dass Prävention immer der Schlüssel ist.“
Die WHO kam außerdem zu der vorläufigen Erkenntnis, dass Personen, die bereits an Covid-19 erkrankten und genesen sind, ein höheres Risiko hätten, sich mit Omikron anzustecken. Doch auch hier ist die Datenlage begrenzt. “Impfstoffe sind nach wie vor von entscheidender Bedeutung für die Verringerung schwerer Erkrankungen und Todesfälle, auch gegen die vorherrschende zirkulierende Variante, Delta. Die derzeitigen Impfstoffe sind weiterhin wirksam gegen schwere Erkrankungen und Todesfälle”, so die WHO.
Kann Omikron durch Schnelltests und PCR-Tests erkannt werden?
Das Robert-Koch-Institut informiert darüber, dass auch eine Infektion mit Omikron “mit den aktuell genutzten gängigen SARS-CoV-2-PCR-Tests nachweisbar” sei, doch die Variante als solche “aktuell nur mittels Sequenzierung sicher identifiziert werden” könne.
Welche Symptome kann Omikron auslösen?
Aufgrund der geringen Datenlage gibt es noch keine allgemeingültigen Aussagen, jedoch äußerte sich Angélique Coetzee, Vorsitzende des südafrikanischen Ärzteverbands, bei der BBC zu möglichen Symptomen. Sie beobachtete bei zirka 25 Patienten, bei denen es sich um jüngere Männer handelte, einen “kratzigen Hals”, trockenen Husten, Gliederschmerzen und extreme Müdigkeit. Die Temperatur sei nur bei einigen leicht erhöht gewesen. Außerdem wies keine der Personen einen Geruchs- oder Geschmacksverlust auf und niemand musste in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Weniger als die Hälfte von ihnen sei geimpft gewesen.
Coetzee sei überzeugt davon, dass in Europa bereits viele Menschen die Virusvariante hätten. Da nur zirka sechs Prozent der Bevölkerung Südafrikas über 65 jahre alt ist, weist die Vorsitzende des südafrikanischen Ärzteverbands darauf hin, dass ältere Personen, die bereits an Diabetes oder Herzkrankheiten leiden würden, von der Variante härter getroffen werden könnten.
Wie gefährlich ist die Virusvariante?
Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hält es für wahrscheinlich, dass Omikron teilweise immunevasiv ist. Deshalb schätzt sie die Wahrscheinlichkeit der Übertragungen und somit das Risiko durch Omikron als hoch bis sehr hoch ein. Das würde bedeuten, dass geimpfte und genesene Personen vor dem Virus nicht mehr so gut geschützt wären, da ihr Immunsystem Omikron nicht so gut erkennen könnte wie andere Virusvarianten. Laut Prof. Dr. med. Oliver T. Keppler, Vorstand des Max von Pettenkofer-Instituts der Ludwig-Maximilians-Universität München und Lehrstuhlinhaber der Virologie, zeigt sich in wenigen Wochen durch Labortests, ob der Impfschutz beeinträchtigt sei.
Auch Susan Hopkins, Wissenschaftlerin des Imperial College in London, spricht von der “besorgniserregendste[n] [Variante], die wir je gesehen haben.” In Hongkong stellten Forscher:innen fest, dass die Viruslast bei zwei Omikron-Infizierten sehr hoch war. Das bedeutet, dass die Übertragung des Erregers erleichtert sei. Tulio de Oliveira, Direktor des Centre for Epidemic Response & Innovation in Südafrika, sagt, man sorge sich vor der “sprunghaften Evolution” der Omikron-Variante.
Schützt die Impfung vor Omikron?
Viele Virologen und Immunologen, darunter Christian Drosten, Carsten Watzl und Leif Erik Sander, vermuten, dass der Schutz der aktuellen Impfungen gegen die Omikron-Variante etwas abgeschwächt sein wird, jedoch voraussichtlich immer noch einen hohen Schutz gegen schwere Erkrankungen biete.
Im ZDF heute-journal sagte Drosten: “Das Einzige was man wirklich mit Sicherheit sagen kann, es ist besser, wenn man geimpft ist. Es ist noch besser, wenn man geboostert ist“. Auch Keppler ist sich sicher, dass die Impfung einen Teilschutz gebe.
Impfstoffhersteller überprüfen Variante
Die Impfstoffhersteller BioNTech und Moderna reagierten bereits auf die Omikron-Variante. Laut ihnen sei in spätestens zwei Wochen mit den Laborergebnissen zu rechnen. Dann könne mitgeteilt werden, ob eine Anpassung des Impfstoffs an die neue Variante nötig sei.
Biontech und Pfizer teilten mit, schon vor Monaten Vorbereitungen getroffen zu haben, sodass im Falle einer Escape-Variante innerhalb von sechs Wochen der Impfstoff angepasst werden könne und innerhalb von 100 Tagen die ersten Chargen ausgeliefert werden könnten.
Moderna-Chef Stéphane Bancel erklärte in der “Financial Times”, dass die Herstellung großer Mengen eines variantenspezifischen Impfstoffs Monate dauern werde. Die Produktion komplett auf einen spezifischen Omikron-Impfstoff umzustellen, wäre durch die anderen vorherrschenden Virusvarianten riskant. Der medizinische Chef von Moderna, Paul Burton, kündigte in einem BBC-Interview an, schon Anfang 2022 könne ein angepasster Impfstoff “in großem Maßstab hergestellt werden”.
Empfehlungen der WHO
Die WHO empfiehlt in anbetracht der neuen Virus-Mutation, dass jedes Land weiterhin Maßnahmen gegen Corona im Bereich der öffentlichen Gesundheit ergreifen solle, um das Virus einzudämmen. Sie sollen nach einer “Risikoanalyse und eine[m] wissenschaftlich fundierten Ansatz” handeln. “Kapazitäten im Bereich der öffentlichen Gesundheit und der Medizin” sollen aufgestockt werden und ein gleichberechtigter Zugang zu Covid-19-Impfstoffen, Behandlungen und Diagnostik für alle geschaffen werden.
Einzelpersonen rät die WHO dazu, einen Mindestabstand von einem Meter zu anderen Menschen zu halten, Masken zu tragen, die gut sitzen, Räumlichkeiten mit geöffneten Fenstern zu belüften, Hände regelmäßig zu säubern, in Taschentücher oder Ellbogen zu niesen beziehungsweise zu husten sowie sich impfen zu lassen.François De Keersmaeker, Direktor der Ärzte der Welt, findet klare Worte: „Omikron war eine Entwicklung mit Ansage. Es werden sich immer wieder neue Varianten ausbreiten, wenn in ärmeren Ländern weiterhin große Teile der Bevölkerung keinen Zugang zu Impfstoffen haben. Dass die WTO-Konferenz nun abgesagt worden ist, unterstreicht noch einmal die Notwendigkeit, den Patentschutz auszusetzen, um den Zugang zu Produkten gegen Covid-19 weltweit zu verbessern.“