Der aktuelle Stand zu Corona-Medikamenten
In den Medien ist seit knapp einem Jahr oft von neuen Virus-Varianten und neuen Impfstoffen zu lesen. Mit den zugelassenen Impfstoffen kann eine schwere Corona-Erkrankung in den meisten Fällen sehr gut verhindert werden. Doch was ist mit Medikamenten zur Behandlung der Virus-Erkrankung? Wie ist der aktuelle Stand?
Roche und Regeneron Pharmaceuticals mit Ronapreve
Am 19. August 2020 wurde die Kooperation des Schweizer Pharmaunternehmens Roche und des US-Pharmakonzerns Regeneron Pharmaceuticals bekannt gegeben. Gemeinsam entwickelten sie die Antikörper-Kombination aus Casirivimab und Imdevimab. Am 21. November 2020 erhielt das daraus resultierende Medikament REGN-COV2 die Notfallzulassung in den USA. Mittlerweile wurde es in Ronapreve umbenannt. Weltweit bekannt wurde das Präparat im Oktober 2020, weil der damalige US-Präsident Donald Trump aufgrund seiner Corona-Infektion damit behandelt wurde.
Das Präparat Ronapreve basiert auf einer Antikörpertherapie und wird entweder intravenös verabreicht oder unter die Haut injiziert. Die Antikörper binden sich an das Spike-Protein des Coronavirus und zerstören beziehungsweise deformieren dessen Struktur.
Behandelt werden sollen damit Risikopatient:innen ab 12 Jahren, die mit Covid-19 infiziert sind, bei denen also ein schwerer Verlauf wahrscheinlich ist. Laut Hersteller kann das Medikament auch für Personen mit einem akuten Risiko zur Ansteckung verwendet werden. Beispielsweise wäre das eine Person, die gemeinsam mit einer infizierten Person in einem Haushalt lebt.
Zulassung von Ronapreve bei EMA beantragt
Das Pharmaunternehmen hat bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA die Zulassung beantragt, diese wird nun überprüft. In zwei Monaten rechne die EMA mit den Ergebnissen. Bisher hat die EMA die vorläufige Verwendung vor Marktzulassung befürwortet, es wurde also bisher schon seit dem 26. Februar 2021 bei Patient:innen verwendet, die ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, aber keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen. Eine Notfallzulassung wurde in der EU nicht genehmigt, in den USA, Großbritannien und Japan hingegen schon.
In einer Phase-⅔-Studie soll das Medikament laut Roche zu einer “signifikant” verringerten Viruslast bei Covid-10-Patient:innen in stationärer Behandlung führen. In einer Oxford Recovery-Studie mit zirka 9800 stationär behandelten Corona-Patient:innen, die bei der Einlieferung noch keine Antikörper aufweisen konnten, führte das Medikament zu einem Rückgang der Todesfälle um ein Fünftel. Deshalb macht die Verwendung des Präparats “in der frühen Phase der Erkrankung, also drei bis fünf Tage nach Symptombeginn” Sinn, so der Infektiologe Clemens Wendtner. Auch äußert er sich zu dem möglichen Nachteil, dass die verschiedenen Varianten des Corona-Virus gegen die Antikörper resistent sein könnten.
WHO empfiehlt Medikament Ronapreve
Am 24. September 2021 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation ihre Empfehlung für das Medikament Ronapreve. Erhalten sollen es mit Covid-19 infizierte und erkrankte Risikopatient:innen, da Ronapreve Studien zufolge die Überlebenschancen verbessern kann. In einem individuellen Heilverfahren, also wenn es keine anderen Behandlungsmethoden mehr gibt, können Patient:innen in Deutschland der Therapie mit Ronapreve zustimmen. Allerdings können nicht alle Länder solch eine Risikobewertung durchführen und sind deshalb auf die WHO-Empfehlungen angewiesen.
Die Weltgesundheitsorganisation setzt sich dafür ein, dass eine weltweit faire Verteilung des Medikaments stattfindet. So verhandelt sie mit Roche über eine Preissenkung und die Möglichkeit einer Schenkung. Auch möchte die WHO, dass andere Hersteller die Option bekommen, das Präparat herzustellen, um eventuell günstigere Varianten anbieten zu können.
Merck Sharp & Dohme (MSD) beantragt Molnupiravir-Zulassung in den USA
Der amerikanische Pharmakonzern Merck Sharp & Dohme (MSD) entwickelte das erste Medikament gegen Covid-19 in Tablettenform. Dies orale Einnahme ist ein großer Vorteil, denn sie ist weniger kosten- und zeitintensiv als die intravenöse Infusion anderer Präparate. Ursprünglich sollte es ein Medikament gegen Grippe werden. Das Unternehmen hat die Notfallzulassung in den USA bei der FDA-Behörde bereits beantragt.
Die letzte klinische Studie der Phase III wurde aufgrund der sehr hohen Wirksamkeit des Präparats vorzeitig beendet. Von 800 infizierten Patient:innen bekam eine Hälfte das Molnupiravir-Präparat, während die andere Hälfte ein Placebo erhielt. Aus der Placebo-Gruppe mussten 53 Personen ins Krankenhaus, acht Personen starben. Nur 27 Personen, die das Medikament erhielten, wurden ins Krankenhaus eingeliefert und es gab keine Todesfälle. Das Risiko für schwere Covid-19-Verläufe und den corona-bedingten Tod soll durch das Medikament um 50% sinken.
Wie wirkt Molnupiravir?
Molnupiravir ist genauso wie Ronapreve für die Einnahme in der Anfangsphase der Erkrankung gedacht. Es muss in den ersten fünf Tagen nach dem Auftreten der Symptome fünf Tage lang verabreicht werden. Der Wirkstoff wird vom Körper in Bausteine umgewandelt, die dem Corona-Virus ähneln. Diese werden dann vom Virus in seine eigene RNA eingebaut und dort über die RNA-Polymerase kopiert. Bei diesem Prozess entsteht durch den Wirkstoff eine so hohe Fehlerquote, dass keine funktionsfähigen Viren produziert werden können. Die Vermehrung des Virus in der Zelle wird gestoppt.
Bisher müssen Nebenwirkungen noch gänzlich ausgeschlossen werden. Laut einer Studie in Zellkulturen könnte das Präparat in hohen Dosen nicht nur in die RNA, sondern auch in die DNA integriert werden, was laut dem Molekularbiologen Patrick Cramer zu möglichen Problemen führen könnte. Doch Infektiologe Christoph Spinner von der TU München hält das Risiko für unwahrscheinlich, denn die Wirkstoffe, die für diesen Prozess verantwortlich sind, seien laut ihm “in aller Regel hochspezifisch. Das heißt, sie können gar nicht überall wirken. Denn sie müssen dort, wo DNA verarbeitet wird, […] überhaupt hinkommen.”
Remdesivir des Herstellers Gilead
Während das Präparat Remdesivir am Anfang der Pandemie noch als Hoffnungsträger galt, finden sich in der aktuellen Debatte immer mehr zurückhaltende Äußerungen dem Medikament gegenüber. Im Juli 2020 erhielt es die Zulassung in der EU zur spezifischen Behandlung bestimmter Patient:innen.
Sowohl die WHO als auch der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen äußern sich nun reserviert zum Nutzen des Präparats. Nur Erwachsene mit einer leichten Lungenentzündungen profitieren von dem Medikament – so das oberste Entscheidungsgremium des deutschen Gesundheitswesens. Es kann laut Studien nicht bewertet werden, ob das Medikament einen Einfluss auf die Sterberate durch das Coronavirus hat.
Dexamethason für sauerstoffpflichtig Erkrankte
Das Medikament Dexamethason wird entweder oral, als Injektion oder Infusion verabreicht und soll durch seine Wirkstoffe Entzündungen hemmen. Außerdem wird durch das Präparat die Immunreaktion des Körpers geschwächt. Im Gegensatz zu Ronapreve und Molnupiravir wird es vergleichsweise spät eingesetzt, also bei einer intensivmedizinischen Versorgung. Zugelassen ist Dexamethason für alle Personen über 12 Jahren, die mindestens 40 Kilogramm wiegen und sauerstoffpflichtig erkrankt sind.
Laut einer Recovery-Studie der britischen Universität Oxford im Juni 2020 kann das Arzneimittel die Sterblichkeit bei Patient:innen mit künstlicher Beatmung senken. Die Sterblichkeit konnte,wenn die Patienten keine Sauerstofftherapie oder künstliche Beatmung benötigten, durch das Medikament allerdings nicht verringert werden. Normalerweise ist das Medikament schon lange gegen Allergien, Autoimmunerkrankungen oder bestimmte Tumorarten im Einsatz.
AstraZeneca entwickelt Antikörper-Medikament
AstraZeneca, vor allem durch den Vektorimpfstoff Vaxzevria bekannt, entwickelte nun auch ein Antikörper-Medikament gegen das Corona-Virus. In der Endphase der klinischen Studie mit 900 Patient:innen erzielte der Wirkstoff positive Ergebnisse, denn die Einnahme von AZD7442 senkte das Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken beziehungsweise daran zu sterben. Ein Großteil der Patient:innen gehörte einer Risikogruppe an. „Ein frühzeitiges Eingreifen mit unserem Antikörper kann das Fortschreiten der Krankheit deutlich verringern und bietet über sechs Monate lang Schutz“, so Mene Pangalos, Astrazeneca-Manager. In den USA wurde bereits eine Notfallzulassung beantragt.