Was weiß man bisher über die gefährlichen Corona-Mutationen?
Immer wieder tauchen neue Mutationen des Coronavirus auf und bei jeder stellt sich die Frage, ob sie ansteckender oder sogar tödlicher ist. Viele Menschen machen sich deshalb Sorgen, ob eine Corona-Impfung auch vor den neuen Sars-Cov-2-Varianten schützt, die beispielsweise in Südafrika, Brasilien oder Indien weit verbreitet sind. Denn die entwickelten Impfstoffe zielten ursprünglich auf den sogenannten Wildtyp des Virus ab – den „Wuhan-Virus“.
Wie entstehen Corona-Mutationen?
Dass Viren sich ständig verändern und an neue Gegebenheiten anpassen, liegt in ihrer genetischen Natur. Das Virus braucht zum Überleben einen Wirt und ist daher interessiert daran, möglichst viele Wirte in kurzer Zeit zu besiedeln. Ist ein Mensch mit dem Corona-Virus infiziert, entstehen im Verlauf der Infektion Milliarden Kopien des viralen Erbguts, und viele dieser Kopien sind fehlerhaft. Einzelne Bausteine im genetischen Code des Virus fallen zum Beispiel weg, werden vertauscht oder kommen hinzu. Manchmal verändern sich dadurch auch mehr oder weniger wichtige Details in der Eiweißstruktur des Erregers. Die meisten davon sind irrelevant. In seltenen Fällen bringt diese strukturelle Veränderung aber auch eine größere Überlebensfähigkeit des Virus mit sich.
Je stärker die Verbreitung des Virus ist, desto größer ist die Flut der viralen Nachkommen – und desto mehr Kopiervorgänge und entsprechend Kopierfehler gibt es auch. Mit der Inzidenz wächst deshalb die Chance, dass es zu einer Mutation kommt, die die Sars-Cov-2 unterstützt. Entweder, weil das Virus die Zellen seines Wirts, des Menschen, leichter infizieren, sich in den Zellen besser vermehren oder die Körperabwehr des Infizierten teilweise umgehen kann.
Warum ist die „britische Mutante“ ansteckender?
In Deutschland wird das Infektionsgeschehen derzeit dominiert von der zunächst in Großbritannien nachgewiesene Mutante B.1.1.7 – ihr Anteil liegt inzwischen laut Auskunft des Robert-Koch-Instituts (RKI) bei 90 Prozent aller nachgewiesenen Corona-Infektionen hierzulande. Diese „britische Mutante“ hat Veränderungen an ihrer stacheligen Außenhülle. Ihre charakteristischen „Greifarme“, das „Spike-Protein“, sind größer, so dass sie sich leichter an Körperzellen heften kann. Die Veränderung macht die Mutante nachweislich ansteckender. Nach bisherigen Beobachtungen steigt die Infektiosität um 30 bis 40 Prozent.
Was unterscheidet die „indische Mutation“ von der „britischen Variante“?
Die aus Indien stammende Variante B.1.617 ist eine Kombination aus mehreren Mutationen. Sie weist wie auch die „brasilianische“ und „südafrikanische Variante“ gleich mehrere Veränderungen auf und hatte zuletzt (Stand 20. Mai) in Deutschland einen Anteil in von 2 Prozent – Tendenz steigend.
Experten befürchten, dass eine zweite Veränderung im Spike-Protein dafür verantwortlich sein könnte, dass sich Menschen, die bereits eine Corona-Infektion hatten, noch einmal infizieren. Im schlimmsten Fall würden Antikörper, die bei der Infektion gebildet wurden, die neue Virusvariante nicht erkennen. Das nennen die Wissenschaftler eine „Immune-Escape-Variante“. Übersetzt könnte man sagen: eine Flucht vor der Immunantwort des Körpers. Ob dem so ist, muss sich in weiteren Studien zeigen.
Was jedoch bereits bekannt ist, ist dass diese Mutante noch einmal deutlich ansteckender als die „britische Variante“ ist. Englische Wissenschaftler vermuten, es sei realistisch, dass die Variante bis zu 50 Prozent ansteckender sein könnte als die bereits als sehr ansteckend geltende Variante B.1.1.7. In Großbritannien hat sich die „indische Mutation“ mit 6 Prozent bereits deutlich weiter ausgebreitet als in Deutschland. Daher wird eine weitere Infektionswelle ähnlich der Welle im Winter mit Zehntausenden Toten befürchtet.
Wirken die Impfstoffe gegen die Corona-Mutanten?
Ob und wie gut Impfstoffe überhaupt wirken, wird oft mit den Werten ihrer Wirksamkeit gleichgesetzt. Doch die sind oft irreführend und nicht der einzige Faktor, den man berücksichtigen sollte. Denn selbst wenn man nach einer Impfung an Corona erkrankt, ist man durch die Impfung geschützt. Als erkrankt gilt in den Studien auch, wer nach der Impfung nur leichte Symptome wie Halsschmerzen oder Husten bekommt. Der entscheidende Punkt ist, dass durch alle bisher zugelassenen Impfungen keine schweren Verläufe mehr auftreten – das Risiko, an Corona zu sterben wird also für alle geimpften Personen minimiert.
Und so wirksam sind die einzelnen Impfstoffe:
„Britische Variante“ (B.1.1.7):
Gegen die in Deutschland besonders verbreitete britische Corona-Mutante schützen die hierzulande verwendeten Impfstoffe offenbar gut. „Hinweise auf eine substantiell verringerte Wirksamkeit der Impfstoffe gibt es bislang nicht”, schreibt das Robert Koch-Institut. Das Präparat von Astrazeneca könne eventuell etwas weniger effektiv wirken, so das RKI.
„Südafrikanische Variante“ (B.1.351):
Laut RKI liegen zwar derzeit nur wenige Daten zu dieser in Deutschland selten vorkommenden Mutante vor, doch lassen diese auf eine „zumindest reduzierte Effektivität“ der Impfungen schließen. Nach einer Analyse in Katar kann der Biontech-Impfstoff bei B.1.351 schwere und tödliche Krankheitsverläufe aber sehr gut verhindern. Dagegen bietet das Astrazeneca-Präparat laut Studien der Universitäten Oxford und Johannesburg nur einen Schutz von zehn Prozent vor leichten und mittelschweren Krankheitsverläufen. Hersteller Astrazeneca hat bereits angekündigt, seinen Impfstoff entsprechend anzupassen. Auch beim Mittel von Johnson & Johnson gibt es Hinweise, dass die Wirksamkeit vermindert sein könnte.
„Brasilianische Variante“ (P1):
Diese vor allem in Brasilien verbreitete Sars-Cov-2-Variante ähnelt der „südafrikanischen Variante“. Dem RKI zufolge deuten experimentelle Daten auch hier auf eine reduzierte Wirksamkeit der Impfungen hin. Eine britische Untersuchung von Mitte März kommt zu dem Ergebnis, dass die Astrazeneca- und Biontech-Präparate in etwa ähnlich gut und wirksam wirken wie gegen die „britische Variante“. Dagegen ergab eine US-Studie von Mitte Februar, dass die Impfstoffe von Biontech und Moderna sowohl bei der „südafrianischen“ wie auch der „brasilianischen Variante“ eine deutlich verminderte Wirksamkeit haben könnten.
„Indische Variante“ (B.1.617):
Nach RKI-Angaben deuten erste Laborexperimente darauf hin, dass die Wirksamkeit von Impfstoffen bei dieser Mutante nicht substanziell beeinträchtigt ist. Gesicherte Daten liegen aber auch hier noch nicht vor. „Ein Grund zur Sorge, dass die Impfungen durch diese Virusvariante ihre Wirksamkeit verlieren, besteht aktuell nicht“, sagte Leif-Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie an der Berliner Charité.
Obwohl der allgemeine Schutz vor einer Ansteckung heruntergesetzt ist, erfüllen bei allen bisher bekannten Mutationen die Impfstoffe ihre grundlegende Aufgabe: Sie schützen vor einem schweren Verlauf.
Kann man sich vor dem mutierten Virus schützen?
Der Beste schutz vor Virus Mutationen ist es, sich erst gar nicht anzustecken. Dabei gelten bei den neuen Varianten die gleichen Grundregeln wie für das ursprüngliche Virus: Halten Sie die AHA-L-Regeln ein. Denn Hygienekonzepte wie das Desinfizieren von Oberflächen, Handdesinfektion, Maskentragen und Abstandhalten sind weiterhin für Sie und Ihre Mitmenschen wichtig. Regelmäßige Tests bevor man sich mit Freunden, Familie und Kollegen trifft, schützen alle Anwesenden zusätzlich.