Geimpft und trotzdem positiv auf Corona getestet – wie kann das sein?
Die Erleichterung war groß, als der erste Covid-19-Impfstoff kurz vor Weihnachten auch in Deutschland zugelassen wurde. Auch wenn das Impftempo gerade anfangs nur sehr schleppend vorankam, wurden bis Ostern bundesweit immerhin rund 15 Millionen Impfdosen verabreicht. Ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Pandemie, denn der kleine Nadelpieks schützt die meisten Menschen davor, an Corona zu erkranken. Dennoch gab es Fälle, in denen Geimpfte positiv auf das Virus getestet wurden.
Wie kann das sein und wann wirkt der Schutz?
Zunächst einmal muss man wissen, dass es ein wenig Zeit benötigt, damit sich der Impfschutz gegen Covid-19 nach der ersten Impfung aufbauen kann. Wie lange es exakt dauert, bis der Impfstoff seine maximale Wirkung entfaltet, steht noch nicht endgültig fest. Laut Angaben des RKI entwickelt sich nach Verabreichung der ersten Dosis innerhalb von sieben bis 14 Tagen eine Wirksamkeit von 50 bis 80 Prozent. Der Impfstoff-Forscher Leif Erik Sander von der Berliner Charité äußerte ebenfalls die Einschätzung, es brauche zehn bis 14 Tage, bis das Immunsystem nach der ersten Impfung ausreichend Antikörper gebildet habe. Das bedeutet, dass man trotz Impfung in dieser Zeit noch nicht sicher geschützt ist. In Studien sind in diesem Zeitraum auch Infektionen festgestellt worden.
Momentan wird die Covid-19-Impfung in Deutschland zudem in zwei Schritten durchgeführt. Nach der ersten Impfung mit den derzeit verfügbaren Vakzinen besteht zunächst ein Teilschutz. Daher folgt im Abstand von circa 21 Tagen eine zweite Dosis. Erst nach dieser zweiten Impfung kommt es zu dem sogenannten „Boost-Effekt“: Das Immunsystem springt erst durch diesen zweiten Kontakt richtig an und ist ab da besser für eine spätere Corona-Infektion gerüstet.
Kann die Impfung selbst zu einem positiven Test führen?
Das ist äußerst unwahrscheinlich. Bei dem üblichen PCR-Test, der eine Infektion sicher nachweisen kann, ist ein positives Ergebnis aufgrund einer Impfung komplett ausgeschlossen. Denn der PCR-Test weist nicht das Virus selbst nach, sondern nur das Virusgenom. Bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna werden jedoch die menschlichen Zellen dazu angeregt, nicht ein ganzes Virus, sondern nur einen ganz bestimmten Teil des Erregers zu produzieren – das sogenannte Spike- oder Stachel-Protein auf dessen Hülle. Dieses fungiert dann als Antigen, also quasi als Köder, mit dem das Immunsystem auf den Erreger trainiert wird. Auch der Antigentest kann im Normalfall nicht positiv werden – es sei denn, es käme eine Reihe sehr unwahrscheinliche Umstände zusammen.
Manche Schnelltests etwa reagieren auf das sogenannte Spike-Protein der Virus-Hülle, und die mRNA-Impfstoffe regen seine Produktion an. Trotzdem kann der Antigentest nur dann positiv ausfallen, wenn drei Dinge zusammenkommen: Der Körper muss genügend Antigen produziert haben, das Immunsystem darf es noch nicht abgefangen haben. Und das Protein muss im Rachen zu finden sein, was bei nicht Erkrankten nahezu ausgeschlossen ist.
Aus Sicht von Experten und Medizinern ist dies jedoch kein realistisches Szenario. Arzt und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht sagte dazu in einem Interview mit dem TV-Sender ntv: „Ein PCR-Test kann durch die Impfung nicht positiv werden, das ist ausgeschlossen. Bei einem Antigentest ist dieser Fall äußerst unwahrscheinlich. Wenn ein Corona-Test also positiv ausfällt, dann hat der Mensch sich auf anderem Weg mit dem Covid-19-Virus infiziert!“
Schützt die Impfung zu 100 Prozent?
Nein, eine Infektion mit Sars-Cov-2 und ein positiver Corona-Test sind auch nach einer Impfung theoretisch möglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich. Zum einen liegt das an der Wirksamkeit des Impfstoffes selbst. Generell beträgt der Schutz bei keiner Impfung 100 Prozent. Für den Impfstoff von Biontech ergaben Studien eine Wirksamkeit von 95 Prozent, der Moderna-Impfstoff erreichte 94,1 Prozent, Vaxzevira von AstraZeneca kommt auf eine Wirksamkeit von 76%.
Das bedeutet: Die Wahrscheinlichkeit an Covid-19 zu erkranken war bei geimpften Teilnehmern um diesen Prozentsatz geringer als bei Menschen, die nicht geimpft wurden. Umgekehrt erkranken also je nach Impfstoff zwischen 5 % und 24 % Prozent trotz Impfung an Covid-19. In der medizinischen Fachsprache werden solche Personen als „Impfversager“ bezeichnet. Allerdings verläuft bei diesen Menschen die Krankheit meist deutlich milder. Bei Geimpften mit AstraZeneca gab es in den Studien überhaupt keine schweren Verläufe mehr.
Risiko einer Ansteckung kurz vor der Impfung
Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass Menschen eine Covid-19-Impfung erhalten, die sich noch kurz zuvor mit Covid-19 angesteckt haben. Für sie besteht das Risiko, dass es trotz Impfung im Nachhinein zu einer Corona-Erkrankung kommt. Laut bisher vorliegenden Studien ist eine Impfung, obwohl man sich kurz zuvor mit dem Corona-Virus angesteckt hat, aber nicht gefährlich. Experten gehen sogar davon aus, dass eine Impfung den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen könnte.
Ansteckungen anderer trotz Impfung möglich
Zwar belegen bisherige Studien zu den Impfstoffen von Biontech und Moderna eindeutig, dass sie eine Erkrankung mit Covid-19 mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindern. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass Geimpfte das Virus trotz Impfung in ihrem Körper aufnehmen – und so möglicherweise andere anstecken können. Auch die Expert*innen vom Robert-Koch-Institut (RKI) halten das für denkbar. So könnte sich das Virus trotz Impfung in der Nase und im Mund vermehren. Der Geimpfte könnte in diesem Fall bei einem Corona-Test positiv sein – und damit für andere Personen ansteckend. Aber wahrscheinlich nicht mehr so stark wie ohne Impfung, betont Klaus Cichutek vom Paul-Ehrlich-Institut.
Welche Verhaltensregeln sollten Geimpfte beachten?
Nach jetzigem Stand wird durch die Corona-Impfung lediglich eine „klinische Immunität“ erreicht – also ein Schutz der geimpften Personen vor dem Ausbruch beziehungsweise den Symptomen der Krankheit. Davon zu unterscheiden ist eine „sterile Immunität“: Hierbei würde das Immunsystem nach einer Impfung alle Viren eliminieren und somit einen Schutz vor der Weitergabe des Virus durch geimpfte Personen bieten. Nur die „sterile Immunität“ schließt eine Ansteckung anderer Menschen aus. Nicht zuletzt aus diesem Grund empfiehlt das Robert-Koch-Institut eindeutig: Geimpfte Personen sollten „bis auf Weiteres Maske tragen und sich an die Hygiene- und Abstandsregeln halten“ – eben, um andere vor einer Ansteckung zu schützen.